Was ist denn jetzt das bloß wieder für eine grausige
Geschichte? Sie ist reich und schön und er ist jung und dynamisch
und begehrt unter einem Vorwand Einlaß in diese Villa. Dann werden
die Drinks gemischt. Man kommt sich menschlich schnell näher, heiratet
in Oberammergau und trotzdem hat er schon bald eine Rothaarige nebenher,
während sie bei ihrem Golflehrer abblitzt. Eine Tragödie. Soll
sie ihn halt vergiften. Unterm Strich steht man ja immer nur vor dem Problem,
wo man die Leiche hinschafft. Ich habe dieses Problem schon mal mit Heinz
Schneebein diskutiert. Schneebein war fürs einbetonieren, wobei
der bei Siemens arbeitet, da kann man nicht mehr erwarten. Na, ja, schaut
nur hin, wie ihm die Reiche und Schöne statt dessen mit einer schweren
gußeisernen Bratpfanne den Schädel einschlägt, ein völlig
unnatürliches Geräusch, und ihn im Wald verscharrt. Pilzesucher
werden die Leiche finden. So wird alles seinen Gang nehmen. So läuft
das ja in der Regel. Allerdings hätte aber auch er älter sein
und eine junge und dynamische Sekretärin in einem dunklen Park mit
seiner Hand wahnsinnig machen können. Rasend. Da wäre eben auch
eine Abhängigkeit entstanden. Das kann man also recht simpel darstellen
und muß nicht unbedingt die schlechte Theaterluft aushalten, wo sowieso
keine Lösungen mehr angeboten werden. Und ein Fußballspiel kann
man im Theater auch nicht anschauen. Frau, sag selber, wie sind wir beim
3:3 Lokalderby hier rumgehüpft, die Kartoffelcräcker sind uns
ausgegangen, und niemand weiß, was geworden wäre, hätte
der Bimmer Alfons beim 3:3 nicht seine volle Bierflasche in unseren Fernseher
geworfen. Das war vielleicht ein Feuerwerk der Gefühle. Was haben
wir denn da? Gerade eben dringt Sir Ernest Jack Marlborough durch das Fenster
im dritten Stock in das Ankleidezimmer von Lady Landslock ein, um ihr ein
geheimnisvolles Päckchen zu überreichen, schon heißt es
wieder Werbepause. Ich wette um nahezu jeden unvernünftigen Betrag,
daß ein After-Eight-Spot kommt. Wir müssen also diese spannende
Szene im Gedächtnis bereithalten, auch wenn uns der neue Alfa Romeo
emotional anrührt. Lady Landslock ist und bleibt eine distinguierte
Adelige, die auf ein Zeichen von Lord Shuttenburgh hofft. Man ist bei solchen
Pausen ja häufig versucht, den Film in eine andere Richtung zu entwickeln,
etwas ganz und gar Schreckliches einzubauen. Zum Beispiel könnte Lady
Landslocks Monatsblutung ausgesetzt oder eine eitrige Entzündung an
expliziter Stelle eingesetzt haben, nein, das ist natürlich nicht
sehr realistisch und letztlich sind wir froh, uns nicht aufregen zu müssen,
weil das Ende zuverlässig bekannt ist. Frau, bring mir einen Wodka,
daß ich auf die Seele im Menschen trinken kann. Schau nicht so bedrückt
und konzentriere dich auf deine Bügelfalte. Wenn ich mir das hier
so anschaue, scheint in England die Arbeit mit den Pferden immer noch vorrangig
zu sein. Lassen wir also Lady Landslock ausreiten, über diese feinen
Wiesen und Felder. Ich möchte wissen, wann Westenrieder seiner Tochter
ein Pferd kauft, lange kann das nicht mehr dauern. Freilich, die Jugend
soll blühen und rosa Wangen von all der frischen Luft nachhause tragen.
Die Kinder wollen wir wohl behüten, denn alt und gebrechlich werden
sie von alleine. Stark müssen wir sie fürs Leben machen, daß
sie nicht gleich wegen einer zärtlichen Berührung ihre Existenz
wegwerfen und sich vom nächstbesten Bademeister in einer dreckigen
Umkleidekabine nehmen lassen. Lord Shuttenburgh sagt: Ich habe Ihnen nichts
zu sagen, Lady Landslock! Gehen Sie! Leben Sie wohl! Lady Landslock bricht
vor ihrem dampfenden Pferd zusammen. Hoffentlich haben sie die Einstellung
nicht zu oft gedreht, sonst ist das Tier längst vom Pferdemetzger
zu Wurst verarbeitet. Was läuft im Dritten? Ein Bauernschwank. Die
Bauern, die die ärmsten Schweine sind, sollen jetzt nebenher wenigstens
aufklärerisch tätig sein, und zwar anläßlich einer
nahezu täglich vorkommenden Verwechslung. Der Bauer ist in der Bredouille.
Die schöne Gretl liebt den Knecht und ihm bleibt nur der Hausdrachen
aus Düsseldorf. Da sitzt er also da und schenkt sich ein Kirschwasser
nach dem anderen ein und hadert mit der Welt. Das Heu bringt er vor lauter
Rausch nicht rechtzeitig herein und der Knecht weiß natürlich
ganz genau, wo er hinlangen muß. Und das alles wegen einer falschen
Chiffre-Nummer. Bei uns im Leben renkt sich sowas nicht mehr ein, drum
rate ich, die Chiffre-Nummer mindestens fünfmal zu überprüfen,
wenn Sie Ihre Bewerbung rausschicken. Nein, laß mich, sagt die schöne
Gretl, das geht mir zu schnell, der Knecht schnauft schwer bei offenem
Hosenlatz, da stößt sie ihn weg und rennt davon, direkt unserem
Bauern in die Hände. Du bist es, Gretel, sagt er. Ja, ich bin es,
sagt sie. Ich hätte da im Hintergrund eine eiserne Tengelmann-Kuh
dazu blöken lassen, aber mich fragt ja keiner. Ausserdem, das gebe
ich zu, das hätte den ganzen Witz der Geschichte desavouiert. Ah nöööö,
hätten tausende und abertausende Zuschauerinnen und Zuschauer zuhause
protestiert, und sie hätten recht gehabt. Jetzt wäre ein geistiges
Getränk vielleicht doch nicht zu verachten. Ein anständiger Mensch
trinkt doch gerne mal ein Gläschen oder zwei. Meine brave Frau
bringt die Flasche. Das dauert, weil sie sich nebenbei immer einen grünen
Tee macht und ich schaue mal kurz ein paar französische Kanäle
durch. Hier haben wir Stöhnen und lauter schwarze Streifen quer über
den Bildschirm. Das ist offensichtlich ein Pay-TV-Channel, der Kerl nimmt
die Kleine ganz schön zur Sache. Das kann doch nicht sein, am Sonntag
nachmittag um kurz nach zwei. Was sind denn das alles für Stimmen,
sind die vielleicht zu viert? Sind das die moralischen Angebote des neuen
Europa? An der Küste muß mit Sturmfluten und Land unter gerechnet
werden. Schleswig-Holsteinscher Privatsender. Durchgeknallte Moderatorin,
erinnert mich an Luise Körner, in dritter Linie meiner Frau anverwandt,
Schriftstellerin. Die hats auch nicht leicht. Aber in dieser Gesellschaft
ist jeder für seine Positionierung selber verantwortlich, auch die
freien Demokraten, sagt deren Generalsekretär. Schau Frau, sage ich
zu meiner Frau, die mir jetzt endlich die Flasche reicht, einen solchen
Messerschärfer könnten wir auch gut gebrauchen, einmal über
die Klinge ziehen, sssst, fertig. Das Messer ist dann so scharf, daß
man damit einen Ziegelstein durchschneiden kann. Sie will aber nochmal
zu Landy Landslock. Wenn das noch läuft, sage ich, und wir steigen
grade rechtzeitig beim retardierenden Moment ein: Lady Landslock, die schon
über den Berg war - Sir Ernest Jack Marlborough hatte versprochen,
bei seiner Lordschaft Shuttenburg ein kleines Mißverständnis
aufzuklären - striegelt frohen Mutes ihr langes blondes Haar vor einem
dämonisch aussehenden Spiegel, den sich mit Sicherheit keine normale
Hausfrau leisten könnte. Da also steigt Sir Ernest Jack Marlborough
wieder einmal zum Fenster herein und übermittelt die vernichtende
Botschaft, seine Lordschaft ließe sich nicht umstimmen, seine Lordschaft
könne keine Frau heiraten, die einen schottischen Pferdepfleger beschäftigt.
Ich sage dir doch, sage ich zu meiner Frau hinüber, die Engländer
spinnen mit ihren Pferden. Lady Landslock bricht wieder zusammen, hilflos
kauert sie am Boden, ihr frisch gebürstetes Haar bedeckt fast völlig
den etwa 20 qm großen Teppich und Sir Ernest Jack Marlborough hat
Mühe, sein Kreuz gerade durchzudrücken. Schließlich greift
er sanft nach ihr, zieht sie zu sich hoch. Lady Landslock steht nun wie
eine Ballettänzerin auf ihren Zehenspitzen, das Kinn fest an Sir Ernest
Jack Marlboroughs Brust und himmelt ihn erwartungsfroh an. Tja, und dann
küßt er sie. Dieser Flegel, es ist eine Schande, wie uns im
Fernsehen das kaltblütige Ausnützen einer Frau, die sich in Not
befindet, vorgebetet wird, sagt meine Frau, und ich neige dazu, das für
etwas übertrieben zu halten. Die Sonntagsmillion von NKL, stellen
Sie sich vor, Sie haben keine finanziellen Sorgen mehr. Das Leben ist doch
vom ersten Augenblick an ziemlich lustig, trotzdem ist meine Frau regelmäßig
mißgelaunt, das ist vielleicht kein Zeichen von Charakterschwäche
aber zwischendrin kann es die Stimmung verderben. Gehen Sie ran, visualisieren
Sie ihr Ziel und bleiben Sie dran. Vor allem, zeigen sie ihre Beine. Was
wird denn das? Ach ja, den hab ich schon mal gesehen, die ist hübsch,
aber sie hat auch bloß so einen Krawattenhengst, der nie Zeit hat,
ist deshalb todunglücklich, aber jetzt sitzt sie im Flugzeug, direkt
neben einem langhaarigen Künstler, und der fragt sie natürlich
gleich, ob sie's schon mal im Flugzeug getrieben hat. Freundchen, denke
ich mir, das bringt nichts. Ich kenne das. Lange Haare, das wollen sie
schon, ein Zeichen von Wildheit, aber wenn man dann angreift, ziehen sie
den ich meine, dann bocken sie. Ach Frau, sage ich, wie wars denn bei uns,
aber sie sagt schon länger nichts mehr zu diesem Thema. Das ist eben
das allgemeine Kommunikationsproblem. Die Leute reden nicht mehr miteinander.
Warum auch?
28.06.99
___________________
|