heiners zuhauseseite
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kapitel 08
Reise auf der Couch
oder: Couchreise
  
 
Was ist denn jetzt das bloß wieder für eine grausige Geschichte? Sie ist reich und schön und er ist jung und dynamisch und begehrt unter einem Vorwand Einlaß in diese Villa. Dann werden die Drinks gemischt. Man kommt sich menschlich schnell näher, heiratet in Oberammergau und trotzdem hat er schon bald eine Rothaarige nebenher, während sie bei ihrem Golflehrer abblitzt. Eine Tragödie. Soll sie ihn halt vergiften. Unterm Strich steht man ja immer nur vor dem Problem, wo man die Leiche hinschafft. Ich habe dieses Problem schon mal mit Heinz Schneebein  diskutiert. Schneebein war fürs einbetonieren, wobei der bei Siemens arbeitet, da kann man nicht mehr erwarten. Na, ja, schaut nur hin, wie ihm die Reiche und Schöne statt dessen mit einer schweren gußeisernen Bratpfanne den Schädel einschlägt, ein völlig unnatürliches Geräusch, und ihn im Wald verscharrt. Pilzesucher werden die Leiche finden. So wird alles seinen Gang nehmen. So läuft das ja in der Regel. Allerdings hätte aber auch er älter sein und eine junge und dynamische Sekretärin in einem dunklen Park mit seiner Hand wahnsinnig machen können. Rasend. Da wäre eben auch eine Abhängigkeit entstanden. Das kann man also recht simpel darstellen und muß nicht unbedingt die schlechte Theaterluft aushalten, wo sowieso keine Lösungen mehr angeboten werden. Und ein Fußballspiel kann man im Theater auch nicht anschauen. Frau, sag selber, wie sind wir beim 3:3 Lokalderby hier rumgehüpft, die Kartoffelcräcker sind uns ausgegangen, und niemand weiß, was geworden wäre, hätte der Bimmer Alfons beim 3:3 nicht seine volle Bierflasche in unseren Fernseher geworfen. Das war vielleicht ein Feuerwerk der Gefühle. Was haben wir denn da? Gerade eben dringt Sir Ernest Jack Marlborough durch das Fenster im dritten Stock in das Ankleidezimmer von Lady Landslock ein, um ihr ein geheimnisvolles Päckchen zu überreichen, schon heißt es wieder Werbepause. Ich wette um nahezu jeden unvernünftigen Betrag, daß ein After-Eight-Spot kommt. Wir müssen also diese spannende Szene im Gedächtnis bereithalten, auch wenn uns der neue Alfa Romeo emotional anrührt. Lady Landslock ist und bleibt eine distinguierte Adelige, die auf ein Zeichen von Lord Shuttenburgh hofft. Man ist bei solchen Pausen ja häufig versucht, den Film in eine andere Richtung zu entwickeln, etwas ganz und gar Schreckliches einzubauen. Zum Beispiel könnte Lady Landslocks Monatsblutung ausgesetzt oder eine eitrige Entzündung an expliziter Stelle eingesetzt haben, nein, das ist natürlich nicht sehr realistisch und letztlich sind wir froh, uns nicht aufregen zu müssen, weil das Ende zuverlässig bekannt ist. Frau, bring mir einen Wodka, daß ich auf die Seele im Menschen trinken kann. Schau nicht so bedrückt und konzentriere dich auf deine Bügelfalte. Wenn ich mir das hier so anschaue, scheint in England die Arbeit mit den Pferden immer noch vorrangig zu sein. Lassen wir also Lady Landslock ausreiten, über diese feinen Wiesen und Felder. Ich möchte wissen, wann Westenrieder seiner Tochter ein Pferd kauft, lange kann das nicht mehr dauern. Freilich, die Jugend soll blühen und rosa Wangen von all der frischen Luft nachhause tragen. Die Kinder wollen wir wohl behüten, denn alt und gebrechlich werden sie von alleine. Stark müssen wir sie fürs Leben machen, daß sie nicht gleich wegen einer zärtlichen Berührung ihre Existenz wegwerfen und sich vom nächstbesten Bademeister in einer dreckigen Umkleidekabine nehmen lassen. Lord Shuttenburgh sagt: Ich habe Ihnen nichts zu sagen, Lady Landslock! Gehen Sie! Leben Sie wohl! Lady Landslock bricht vor ihrem dampfenden Pferd zusammen. Hoffentlich haben sie die Einstellung nicht zu oft gedreht, sonst ist das Tier längst vom Pferdemetzger zu Wurst verarbeitet. Was läuft im Dritten? Ein Bauernschwank. Die Bauern, die die ärmsten Schweine sind, sollen jetzt nebenher wenigstens aufklärerisch tätig sein, und zwar anläßlich einer nahezu täglich vorkommenden Verwechslung. Der Bauer ist in der Bredouille. Die schöne Gretl liebt den Knecht und ihm bleibt nur der Hausdrachen aus Düsseldorf. Da sitzt er also da und schenkt sich ein Kirschwasser nach dem anderen ein und hadert mit der Welt. Das Heu bringt er vor lauter Rausch nicht rechtzeitig herein und der Knecht weiß natürlich ganz genau, wo er hinlangen muß. Und das alles wegen einer falschen Chiffre-Nummer. Bei uns im Leben renkt sich sowas nicht mehr ein, drum rate ich, die Chiffre-Nummer mindestens fünfmal zu überprüfen, wenn Sie Ihre Bewerbung rausschicken. Nein, laß mich, sagt die schöne Gretl, das geht mir zu schnell, der Knecht schnauft schwer bei offenem Hosenlatz, da stößt sie ihn weg und rennt davon, direkt unserem Bauern in die Hände. Du bist es, Gretel, sagt er. Ja, ich bin es, sagt sie. Ich hätte da im Hintergrund eine eiserne Tengelmann-Kuh dazu blöken lassen, aber mich fragt ja keiner. Ausserdem, das gebe ich zu, das hätte den ganzen Witz der Geschichte desavouiert. Ah nöööö, hätten tausende und abertausende Zuschauerinnen und Zuschauer zuhause protestiert, und sie hätten recht gehabt. Jetzt wäre ein geistiges Getränk vielleicht doch nicht zu verachten. Ein anständiger Mensch trinkt doch gerne mal ein Gläschen oder zwei.  Meine brave Frau bringt die Flasche. Das dauert, weil sie sich nebenbei immer einen grünen Tee macht und ich schaue mal kurz ein paar französische Kanäle durch. Hier haben wir Stöhnen und lauter schwarze Streifen quer über den Bildschirm. Das ist offensichtlich ein Pay-TV-Channel, der Kerl nimmt die Kleine ganz schön zur Sache. Das kann doch nicht sein, am Sonntag nachmittag um kurz nach zwei. Was sind denn das alles für Stimmen, sind die vielleicht zu viert? Sind das die moralischen Angebote des neuen Europa? An der Küste muß mit Sturmfluten und Land unter gerechnet werden. Schleswig-Holsteinscher Privatsender. Durchgeknallte Moderatorin, erinnert mich an Luise Körner, in dritter Linie meiner Frau anverwandt, Schriftstellerin. Die hats auch nicht leicht. Aber in dieser Gesellschaft ist jeder für seine Positionierung selber verantwortlich, auch die freien Demokraten, sagt deren Generalsekretär. Schau Frau, sage ich zu meiner Frau, die mir jetzt endlich die Flasche reicht, einen solchen Messerschärfer könnten wir auch gut gebrauchen, einmal über die Klinge ziehen, sssst, fertig. Das Messer ist dann so scharf, daß man damit einen Ziegelstein durchschneiden kann. Sie will aber nochmal zu Landy Landslock. Wenn das noch läuft, sage ich, und wir steigen grade rechtzeitig beim retardierenden Moment ein: Lady Landslock, die schon über den Berg war - Sir Ernest Jack Marlborough hatte versprochen, bei seiner Lordschaft Shuttenburg ein kleines  Mißverständnis aufzuklären - striegelt frohen Mutes ihr langes blondes Haar vor einem dämonisch aussehenden Spiegel, den sich mit Sicherheit keine normale Hausfrau leisten könnte. Da also steigt Sir Ernest Jack Marlborough wieder einmal zum Fenster herein und übermittelt die vernichtende Botschaft, seine Lordschaft ließe sich nicht umstimmen, seine Lordschaft könne keine Frau heiraten, die einen schottischen Pferdepfleger beschäftigt. Ich sage dir doch, sage ich zu meiner Frau hinüber, die Engländer spinnen mit ihren Pferden. Lady Landslock bricht wieder zusammen, hilflos kauert sie am Boden, ihr frisch gebürstetes Haar bedeckt fast völlig den etwa 20 qm großen Teppich und Sir Ernest Jack Marlborough hat Mühe, sein Kreuz gerade durchzudrücken. Schließlich greift er sanft nach ihr, zieht sie zu sich hoch. Lady Landslock steht nun wie eine Ballettänzerin auf ihren Zehenspitzen, das Kinn fest an Sir Ernest Jack Marlboroughs Brust und himmelt ihn erwartungsfroh an. Tja, und dann küßt er sie. Dieser Flegel, es ist eine Schande, wie uns im Fernsehen das kaltblütige Ausnützen einer Frau, die sich in Not befindet, vorgebetet wird, sagt meine Frau, und ich neige dazu, das für etwas übertrieben zu halten. Die Sonntagsmillion von NKL, stellen Sie sich vor, Sie haben keine finanziellen Sorgen mehr. Das Leben ist doch vom ersten Augenblick an ziemlich lustig, trotzdem ist meine Frau regelmäßig mißgelaunt, das ist vielleicht kein Zeichen von Charakterschwäche aber zwischendrin kann es die Stimmung verderben. Gehen Sie ran, visualisieren Sie ihr Ziel und bleiben Sie dran. Vor allem, zeigen sie ihre Beine. Was wird denn das? Ach ja, den hab ich schon mal gesehen, die ist hübsch, aber sie hat auch bloß so einen Krawattenhengst, der nie Zeit hat, ist deshalb todunglücklich, aber jetzt sitzt sie im Flugzeug, direkt neben einem langhaarigen Künstler, und der fragt sie natürlich gleich, ob sie's schon mal im Flugzeug getrieben hat. Freundchen, denke ich mir, das bringt nichts. Ich kenne das. Lange Haare, das wollen sie schon, ein Zeichen von Wildheit, aber wenn man dann angreift, ziehen sie den ich meine, dann bocken sie. Ach Frau, sage ich, wie wars denn bei uns, aber sie sagt schon länger nichts mehr zu diesem Thema. Das ist eben das allgemeine Kommunikationsproblem. Die Leute reden nicht mehr miteinander. Warum auch? 
 
28.06.99
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