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Sloterdijk, Sloterdijk, Sloterdijk. Mir slottern schon die Knie.
So..
Was will Sloterdijk? Träumt er von Lara Croft oder von Superman
aus der Retorte? Mit dieser Frage wollte ich das Ganze hier literarisch
aufziehen. Ich habe sogar extra Norbert Niemann angerufen. Wegen den Codes.
Kurz und gut, ich habe mich vorbereitet wie nie zuvor, gelt, und dann kommt
der SPIEGEL daher, und macht das zum Aufmacher. Und ich kann hier meinen
kleinen Gemüseladen zusperren, trotz FREE DELIVERY, und mir ein anderes
Thema suchen. DamenundHerren, ich hätte gerne was zum Thema Sloterdijk
beigetragen, aber man wird ja förmlich erschlagen, also gut, wenn
Sie mich so anbetteln, dann will ich mich nicht lumpen lassen und aus einem
32seitigen Manuskript zitieren, das ich 1987 dem Suhrkamp Verlag angeboten
habe (erfolglos, trotz 231 integrierter Farbfotos). Natürlich nicht,
sehr geehrter Herr Unseld, gratuliere nachträglich zum 75ten, um dem
Suhrkamp Verlag eine reinzuwürgen, ich wäre da immer gerne gewesen,
aber gut, die Geschichte hieß:
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LASS DIE KANONE STECKEN, MANN!
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Oswald ging neben mir, blieb aber immer wieder stehen und wippte
nervös. Es schien etwas in der Luft zu liegen. Es war das Franz-Josef-Strauß-Wippen,
das man bis heute mit der Frage "Haben Sie überhaupt Abitur?" verbindet.
Entsprechend alarmiert war ich und überprüfte den Sitz meines
Schulterhalfters. Die Nullacht lag satt im Futter, direkt neben meinem
Herzen. Und Oswald wippte. Was ist denn, fragte ich ihn schließlich,
ein paar Krähen kreischten sinnlos (wir befanden uns außerhalb
der Stadt), was ist denn los? Ist es nicht schade, sagte er, daß
die menschliche Kunst es noch nicht vermocht hat, Wasser in Starkbier zu
verwandeln? Mensch, dachte ich, was dem immer einfällt, wir hatten
ja erst acht Halbe, und ich war noch nicht ganz reif für einen philosophischen
Diskurs. Soll ich Dir was sagen, fuhr er fort, laß uns Starkbier
in Wasser verwandeln. Das allerdings war ein Angebot, ich nahm die Hand
von der Waffe. Taxi, fragte ich, Taxi, antwortete er, und während
der Fahrt ging die Sonne prächtig unter.
Alsbald traten wir in ein entsprechendes Etablisment. Bier schlackt
und verstopft das Innere des Wanstes, sagte Oswald, und bestellte zwei
Maß, aber es schmeckt. Er warf den Kopf in den Nacken und lachte,
daß die Kronleuchter zitterten.Die Luft im Raum zitterte wie
Schweinesulz. Die Maßen kamen. Nun tranken wir beide großzügig
aus den schweren Krügen. Oswald leerte den seinen mit dem ersten Zug
um mindestens die Hälfte und gab anschließend ein langezogenes,
dumpf grummelndes Geräusch von sich, das ganz danach klang, als ließe
er etwas Luft aus seinem Innersten entweichen. Mein Gott, sagte er, man
könnte meinen, man wäre in der Wüste.Nach diesem Statement
bestellte sich Oswald eine Schlachtplatte. Mit allem sagte er, richtig
schön Blutwurst und Pressack in allen Farben. Sagen Sie dem Koch,
er kann sich ruhig mal verausgaben, rief er der Bedienung hinterher und
flüsterte mir ergänzend zu: Die schlachten hier im Hause.
Ich hatte keinen Hunger, betrachtete den malmenden Oswald, dessen Appetit
kein Ende zu nehmen schien. Von dem "ausgezeichneten Pressack" bestellte
er nochmal eine Extra-Portion (schwarz/weiß in Essig und Öl,
mit viel Zwiebeln). So recht habe ich noch gar keine Lust aufs Dessert,
sagte er, als er das verdrückt hatte, vielleicht nehme ich noch ein
kleines Surhaxerl mit Kraut. Dazu verzehrte er insgesamt sechs Breze(l)n
und vier sogenannte Römische. Ich bekam Lust auf einen Verdauungsschnaps
und winkte der norddeutschen Bedienung, die in ihrer Unfreundlichkeit den
einheimischen Kolleginnen in keiner Weise nachstand. Sie winkte zurück...
(Anmerkung des Autors: Ich kürze hier ein wenig ab)
Ich hatte grade ein bißchen von der dritten Maß verschüttet,
was mich maßlos ärgerte, anderweitig ist folgendes nicht zu
erklären. Ich meine: Was war passiert? Oswald sang gerade aus voller
Kehle das Lied von den "alten Rittersleut(en)", vereinzelt schunkelten
die Leute, ich rauchte eine Virginia und betrachtete fasziniert das Muster
des Bierschaumes, als der Kerl vom Nebentisch mich ein Frettchen nannte.
Ein Frettchen.
Gut, in der guten Stimmung war ich natürlich auf das Thema
"Fortpflanzung" zu sprechen gekommen, biotechnisch. Ich meinte das natürlich
in einem durchaus gröberen philosophischen Zusammenhang, noch ist
die Humangenetik schließlich eine rein diagnostische Disziplin, die
im klinischen Alltag eher eine Nebenrolle spielt. Es ging auch durchaus
ums Gen-Design, wir streiften sogar Nietzsche. Im Rahmen unserer
Möglichkeiten. Das mag sich zwar nicht so akademisch angehört
haben, Oswald und ich neigen in kritischen Situationen dazu, etwas weiter
unten zu grapschen, aber trotzdem:
Nennt mich der Kerl ein Frettchen.
Da mußte ich natürlich aufstehen: Bleib mir vom Leibe,
Mann, schrie ich, oder ich blase dir das Lebenslicht aus.
Laß die Kanone stecken, Mann, sagte Oswald, er hat doch gar
keins.
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Wie gesagt, wurde 1987 von Suhrkamp abgelehnt. Vielleicht war damals
die Zeit einfach nicht reif für diesen Text.
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Heiner Link, 03.10.99
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