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BÜCHERMARKT, gesendet am 22.09.99, 16:10 - 16:30 UHR
HEINER LINK: AFFEN ZEICHNEN NICHT. HUMORESKEN
109 SEITEN, DM 29,80
LEIPZIG 1999: RECLAM
von Thomas Palzer
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TP
Tatsächlich hat das Abendland den Verdacht nie ganz aus der
Welt schaffen können, daß die Welt womöglich eine Fälschung
ist. Vor allem in den letzten Jahrzehnten sind die alten, bärtigen
Referenzen beharrlich flöten gegangen - und mit diesen naturgemäß
auch der Sinn. Herausgekommen ist eine Welt, von der man, genau besehen,
so wenig weiß wie vermutlich noch nie zuvor in der Menschheitsgeschichte.
Deshalb wächst das Wissen ja inflationär: weil man sich immer
weniger gewiß sein darf. Folglich bleibt nichts anderes übrig,
als sich provisorisch im Unbehausten einzurichten - der ständigen
Gefahr bewußt, ins Bodenlose einzubrechen, Über- raschungen
zu erleben, von Umstürzen und Katastrophen heimgesucht zu werden.
Als spirituelles Marschgepäck ist uns dabei nicht viel geblieben,
vielleicht noch die Suche nach totaler Entspannung oder das Streben nach
internationalem Erfolg. Das ist eigentlich schon alles.
Der Münchner Autor Heiner Link - ehedem TRASHPILOT einer Sammlung
von Texten für die 90er - hat sich in sechzehn Grotesken mit dieser
etwas komischen Situation literarisch befaßt. Der Band trägt
den ebenso etwas komischen Titel AFFEN ZEICHNEN NICHT - nun, wer wollte
da widersprechen?
Die Erzählstrategie sämtlicher HUMORESKEN, wie das Buch
untertitelt ist, basiert auf der erstaunlichen, gleichwohl angenehm befreienden
Tatsache, daß nichts, aber auch garnichts heilig ist, weder irgendein
literarischer Kanon, noch Marokko (ich sage nur: "Himmel über der
Wüste"!) oder die Geographie insgesamt (Gibraltar bei Mittenwald!),
weder der Protestantismus noch das Schafkopfen; weder Homer noch der Frauenroman
- nichts. Folglich heiligt der Zweck die Mittel - und als Mittel steht
das komplette Arsenal der abendländischen Literatur zur Verfügung,
aus dem sich der Autor für seine gelungenen Texte auch freimütig
bedient. Bleibt die Frage: Für was für einen Zweck eigentlich?
Dazu später, jetzt erstmal eine Textprobe:
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Spr
Wenn diesseits der Alpen aus südlicher Richtung ein Meer an
eine Küste schlüge und die Gischt meterhoch bis an die unteren
Fenster der am Strand stehenden Villen peitschen würde, gelb schäumend,
könnte zwar, aber es muß alles bleiben, wie es war. Es kann
nicht angehen, die Landschaft beliebig zu figurieren. Das Meer ist das
Meer und hält sich auf, wo es mag. Die Alpen sind kantig und schlängeln
sich in Gebirgszügen ohne jeden mathematischen Ehrgeiz kreuz und quer
über das Festland. Und die Wasserschutzpolizei ist auch am Weßlinger
See ausreichend beschäftigt. Immerhin ist es ein schöner Gedanke,
sich das Meer weiter heroben vorzustellen. Gibraltar bei Mittenwald. Wie
gerne würde ich es sehen, wie
eine Fähre vom Ufer absetzt, meinetwegen um acht.
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TP
Die Figuren, mit denen Heiner Link seine Geschichten bevölkert,
sind
Figuren, die er, wie ich annehme, alle von seinem Fenster aus sehen
kann: bunte Radfahrer, Hutmacher, Girlies, Philosophen, Kaufleute, Sibylles,
Marias und Svens, Sandflohhändler. Ihnen allen eigen sei, wie der
Klappentext meint, ein Drang zum Höheren. Ja, so kann man es wirklich
sagen. Erfolg macht sexy, weiß zum Beispiel einer, und erfindet eine
Schmelzwasserkontrollmaschine. Leider mit geringem Erfolg, wie der Leser
bald erfährt, wollen die Österreicher doch, wie ihm per Fax mitgeteilt
wird, selber abtauen. So wird er am Ende von der Vergeblichkeit angegähnt
- eine Erfahrung, die wir alle mit der Figur problemlos teilen können.
Und das ist überhaupt das Merkwürdige an Heiner Links
Geschichten: so absurd, grotesk und bizarr sie sich auch ausnehmen, wir
als Leser wissen ganz genau, wovon er spricht. Merkwürdig.Kennen wir
alles aus unserem Alltag. Haben wir aber so noch nie gesehen.
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Spr
Ich hatte gerade meine ausgebeulteste Trainingshose und das Feinrippshirt
angezogen und mir eine Schachtel Pralinen hergerichtet, mir eine Decke
um die Beine gewickelt und den Fernseher eingeschaltet. Hhmm! Schnapspralinen.
Und zappen. Da läutete das Telefon. Reflexartig, ich meine, erstmal
riß ich den Couchtisch um. Ja, ja, ich komme schon.
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TP
In Heiner Links Geschichten springt das Detail plötzlich aus
dem Großen Ganzen, rumpelt das Profane gegen das Heilige, durchkreuzt
der Alltag große Pläne, scheitert der Versuch, fette Geschäfte
zu machen, an der Undurchdringlichkeit der Welt. Irgendwie ist immer der
Kopf in der Quere, einfach, weil die Welt, die man im Kopf hat, partout
mit der, die außerhalb des Kopfes liegt, nicht zusammenpassen will.
Was soll man da machen? Aufgeben? Nein, heißt es bei dem Autor: "Nicht
aufgeben! Nicht aufgeben! Nicht aufgeben! Investieren Sie durchaus auch
in größere Ausflüge!"
Das wird in den anarchischen und chaplinesken Geschichten reichlich
gemacht. Doch, um zu unserer eingangs gestellten Frage zurückzukehren:
Wozu der ganze Aufwand? Wozu wird hier die ganze Metaphysik von den Füßen
auf den Kopf gestellt? Um ihr noch die letzten Groschen zu entlocken? Genau.
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Spr
Klauen, Fälschen und / oder Lümmeln. Gepriesen seien
die Mittel zum Zweck. Kontrollverlust? Ach was! Let's be good friends,
that's what I said, and she said: O.k. Two hundred.
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