heiners zuhauseseite
Georg M. Oswald - Heiner Link
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Debatte? Tagebuch? Streitgespräch? Interaktive Texterstellung? Internetliteratur? Korrespondenz? Nennen Sie es, wie Sie wollen. Es geht jedenfalls um  
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DIE BANALITÄT DES PROLLIGEN 

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28. Juni 1999 - 30. September 1999 
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Hier Eichenau. Alles ruhig an der bürgerlichen Front. Ich kann ja nicht jeden Tag ins berühmte Wirtshaus "Zur Post" gehen. Alleine schon zweimal nicht. Was sagst Du zu dieser drolligen Überschrift? 
Heiner Link, 28.06.99
 
Drollig? Prollig? Ich weiß nicht. Neulich hörte ich jemanden sagen, dieser oder jener sei so "prolettig" gewesen. In der Verkürzung des e und der Hervorhebung des t - hier wiedergegeben als Doppel-t - versammelte sich sein ganzer Abscheu. Nur, wovon sprach er? Er sprach von reichen Leuten, einer ganz bestimmten reichen Familie, die ihren Reichtum so 500er SL-mäßig heraushängen lässt. Das fand er "prolettig". Ein anderer meiner Freunde, der heute beim Kartellamt in Berlin arbeitet, sprach hingegen, wenn er Prolls meinte immer von "Prools", was ihn, so glaubte er vielleicht, vornehm erscheinen ließ. Ja woher soll ich denn wissen, was das heißt: Die Banalität des Prolligen. Ich habe von der "Banalität des Bösen" gehört, aber das Prollige ist ja nicht böse, sondern zuerstmal nur doof. Wie kommst du überhaupt darauf, so eine Überschrift zu wählen? 
Georg M. Oswald, 01.07.99
 
Weil wieder mal kein Bier im Haus war. Da mußte ich doch meine Frau zur Rede stellen. "Prolettig" ist doch wunderbar, oder "Prools". Was sich da für ein Sound entwickelt, aus einer banalen Überschrift heraus, die übrigens von Goetz ist. Celebration hat mich halt so angenehm angeweht. Ich finde, man kann aus dieser Überschrift heraus alles Wesentliche entwickeln, aber Bier haben wir trotzdem keins im Haus. Die von der Tankstelle schaun mich schon immer so komisch an (FINA).   
Heiner Link, 02.07.99  
 
 Heute nach dem Kinderturnen mit Simon im Biergarten an der Hauptschießstätte, Du weißt, dort, wo wir beide seine Geburt begossen haben (anfänglich). Wir waren beide sehr schweigsam (Simon und ich, meine ich jetzt). Er, weil er vom Turnen erschöpft war, ich, weil ich darüber nachgedacht habe, daß nun sechs Jahre, die ich gut und gerne mit meinem Lektor Carlo verbracht habe, unwiederbringlich vorbei sind. Aber davon darf nicht gesprochen werden, denn nichts ist ekliger als sentimentale Männer. 
Georg M. Oswald, 13.07.99 

Ja, das mit Carlo ist schon sehr schade. So einen wirst Du so schnell nicht mehr kriegen. Den meinigen müßte ich auch beweinen, aber noch habe ich ihn - oder er mich. Wie man's nimmt.  
Gestern wieder mal eine katastrophale Einkaufstour, in einer Schlange mit Rentnerinnen, die für 60 Mark Fleisch und Wurst einkaufen, 100gr-weise. Und dann noch das Geplaudere über die Enkelkinder und/oder die Schwester aus dem Elsaß. Haß- und Mordgedanken. Du weißt, ich bin hart im Nehmen, aber das bringt mich noch um. Nur, weil ich mal wieder "frisch" einkaufen wollte. Dabei hatte ich schon vor drei Monaten ausgekundschaftet, daß unser SPAR nachmittags zwischen 2 und 3 ganz schwach frequentiert ist, praktisch keine Rentner, und überdies fast alles aus einer Hand anbietet. Aber dann wünscht sich mein Sohn Fleischpflanzerl (Bouletten), und ich verfalle umgehend der Wahnvorstellung, das Hackfleisch unbedingt beim Metzger erstehen zu müssen. Immerhin habe ich mir den Gemüsehändler (TuttiFrutti) geSPARt, was aber zulasten der Fleischpflanzerl ging, den da hätte ich frischen Majoran gebraucht. Aporien, Aporien, Aporien. 
Heiner Link, 14.07.99 

In meiner Gegend gibt es überhaupt keinen SPAR. Der gehobene Sendlinger pflegt im HL-Markt einzukaufen. Dort gibt es sogar Joghurt und Wein vom Käfer! Am liebsten aber mag ich im HL-Markt - da ich ein gehobener Sendlinger bin, kaufe ich ausschließlich im HL-Markt - die Musik. Das ist nicht mehr die früher übliche Kaufhaus-Muzak, sondern erstklassige Ware. Am letzten Samstag zum Beispiel lief die ganze „Rust never sleeps“ von Neil Young. Luftgitarre spielend rockte ich auf das Kühlregal zu - „Hey, hey, my, my, Rock’n’Roll will never die“ - und holte mir einen Sixpack Käferjoghurt natur, rechtsdrehend - „it’s better to burn out, than to fade away“ - und blieb anderthalb Stunden im HL, bis zur dritten Zugabe.  
Georg M. Oswald, 19.07.99 

Sven Lager hat vom Pool aus auf unsere kleine Debatte hingewiesen. Merci, Sven. Doch plagen mich die erstaunlichen Vorbestellungszahlen meines Affenbuches. Habe mit dem Vertriebsleiter (Grüß Gott, Herr Durchdewald) um noch nicht näher definierte geistige Getränke gewettet, daß ich mindestens 10.000 verkaufe. Ist das nicht prolettig? Herr Durchdewald wies mich darauf hin fairerweise drauf hin, daß er seine Wetten immer gewinnt. Könnte also eng werden.  DamenundHerren, ich bitte um Ihre Unterstützung. Kaufen Sie JETZT 
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noch nicht, da es erst Anfang August zu haben ist, das Buch. Es hat alles, was der Mensch braucht, sogar einen Klappentext. Da jetzt im Radio In The Mood von Glenn Miller gespielt wird, hagelts draußen. Gibts im Sendlinger HL auch die teuren Ölsardinen, Madeleine oder so ähnlich? Und die pürierten Tomaten von Parmalat? Artischocken, ganz frisch? Ballantines für 20.99? Verchromte Bierflaschenuntersetzer? Zahnbürsten von SIEMENS? Zweitens wohne ich ja auch in Pasing, wo angeblich gar keine Leute leben sollen. Da bevorzuge ich übrigens den GROSSO-Markt. Aber gut. Vermutlich schweifen unsere Elemente des surfiktionalen Diskurses (Wörter, Phrasen, Sätze, Szenen, Räume, Supermärkte, usw.) voneinander ab, weil Du literarisch noch immer der Meinung bist,  daß der surfiktionale Diskurs von links nach rechts, von vorne nach hinten usw. etwa in gerader Linie hin auf einen Plot gezeichnet verläuft. Dabei ist doch evident, daß er Konturen der Sprache und des Materiales folgt, sich gewissermaßen an den Kurven der Sprache projiziert. Alles Material ist frei verfügbar, insofern entwickelt sich zwangsweise eine unvorhergesehene Gestalt des Textes. Formale Eiertänze können uns nicht länger interessieren. Somit wird der Leser nicht länger durch einen auktorialen und autoritären Standpunkt manipuliert, dafür ist er gezwungen, eigene Ordnungsschemata aufzustellen. Führt zur totalen und gewissermaßen emanzipatorischen Beteiligung an der Fiktion und hat den Vorteil, daß man als Schriftssteller weniger Arbeit hat. Diese Chance aber hat man mit dem Ende der Postmodernen-Debatte sausen lassen, und Du bist natürlich umgehend der narrativen Masse gefolgt, ihr blind hinterhergestürzt, so, wie Du ebenfalls blind in den HL-Markt hineinstürmst, ans Kühlregal "hinrockst" und mit Käfer-Joghurt jonglierst. Igitt!  
Heiner Link, 20.07.99    
 

Verzähl’ jetzt Du keinen Schmarrn über „narratives“ Irgendwas! In pool drüben hab ich den schönsten Ärger mit dem Uslar, der meint, man müsse, wenn man ein Schriftsteller sein wolle, andauernd geschwollen über seine Schreibprobleme daherreden. Das langt mir vollauf. Es ist 19.00h, d.h. mein vollkommen schwachsinniger Nachbar beginnt jetzt wieder mit seiner Schlagbohrmaschine Löcher in die Wand zu bohren. Eines Tages werde ich ihn deshalb zur Verantwortung ziehen.  Ich sag’ Dir was: Der Meister ist heute indisponiert. Ich geh’ jetzt rüber und werde dem unsäglichen Herrn K., dessen Wand aussehen muß wie ein Schweizer Käse - Löcher-mit-der-Bohrmaschine-bohren ist wahrscheinlich auch eine Suchtkrankheit - den Marsch blasen! 

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Wieder zurück. Der Sauhund hat nicht aufgemacht. Der weiß schon warum. Wir sprechen uns noch. 
Georg M. Oswald, 29.07.99 
 

Uslar hat Probleme mit dem Schreiben? Oha. Was es alles gibt. Ich habe Probleme mit den Ferien. Heute Kinderflohmarkt bei der "Schule Mitte". Auto volladen (schreibt man das mit 3 l?), alles aufbauen, dann nett sein zu den Kolleginnen, bei mir gibts heut einen Nudelauflauf, Waschmaschinenprobleme und so weiter, dann alles (bzw. mehr als vorher) wieder ins Auto laden. Der ganze Nachmittag im Arsch. 6 Wochen Ferien, verstehst, das heißt Baden gehen, Tierpark gehen, Märchenwald gehen u.s.w., bis zum Abwinken, das sind meine Probleme mit dem Schreiben, ich komme kaum dazu.  
Heiner Link, 29.07.99  

Gerade so habe ich mir die Unterhaltung zweier Schriftsteller im Internet vorgestellt: Waschen, Bügeln, die Kinder, die Nachbarn, was gibt’s zum Mittagessen. Reden wir über’s Waschpulver. Also mit dem Skip bin ich recht zufrieden, auch wenn’s unverschämt teuer ist. Aber mit dem Skip-Fleckenzusatz bringe ich sogar Rotweinflecken aus weißen Tischdecken rückstandsfrei heraus. Da legt man gerne ein paar Mark mehr auf den Tisch. Heute im HL-Markt vor mir ein Herr mit einem Einkaufskörbchen in dem sich zehn Halbliterdosen Löwenbräu und ein Päckchen Schwarzer Krauser befanden. Der Kassierer: „Wieviel?“ Der Herr: „Zehne.“ Der Kassierer: „Moment, Moment.“ (Zählt die Dosen). Der Herr: „Aha, Kontrolle, oder.“ Der Kassierer: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“  Der Herr (giftig, aber leise): „Is scho recht, nacha, is scho recht, ham’S as jetzt kontrolliert, stimmt ois.“ Der Kassierer: „Zehn Stück Löwenbräu dann.“ Der Herr: „Ja sog i doch: Zehne.“ Nachdem er bezahlt hat, zieht er, immer noch motzend, ab
Georg M. Oswald, 03.08.99 

Ja, nun, man versucht halt auch mal was zu machen, was die Leute interessiert, nicht wahr? Mir hat man ja erst kürzlich wieder den Vorwurf gemacht, ich würde nur für ein kleines "Expertenpublikum" schreiben. Da mußte ich natürlich in mich gehen. 
Heiner Link, 04.08.99 

Natürlich schreibst Du für ein Expertenpublikum. Deutsche Autoren schreiben ausschließlich für ein Expertenpublikum. Mein Lesepublikum zum Beispiel besteht, das weiß ich, ganz ausschließlich aus Experten. Allerdings wird einem das nur immer schön euphemistisch so hingerieben, wenn es darum geht, geringe Auflagen zu erklären, denn mit dem Wort „Expertenpublikum“ soll ja gesagt sein, daß es eben nur wenige Experten gibt. Ich finde das extrem beruhigend, stell’ Dir vor, Du siehst einen, der Dein Buch liest und kannst sofort sagen: „Ah, Gottseidank, ein Experte.“ 
Georg M. Oswald, 05.08.99 
 

Papperlapapp. Ich habe immer nur für die Frauen geschrieben. Immer nur. Die Frauen haben das vielleicht noch nicht bemerkt, das mag schon sein, kann mich aber nicht aufhalten. Nein, ich habe noch nie gesehen, daß (oder wie) jemand mein Buch liest, aber mein Nachbar. Der hat in der S-Bahn zwischen Puchheim und Aubing eine Frau (!) dabei beobachtet, wie sie den "Hungerleider" las. Das war an einem Donnerstag um 14.36 Uhr. Vor ungefähr sechs oder sieben Monaten (am 26.01.99). 
Steigt der (mein Nachbar) in Aubing aus. Bist du denn von allen guten Geistern verlassen, hab ich gsagt. In'd Arbeit hätte er müssen, hat er gsagt, da bin ich aber dann schon handgreiflich geworden. Daß man es in diesem Leben immer mit so indolenten Hammeln zu tun hat, macht mich noch ganz fertig.  
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So. Habe schnell eine halbe Stunde im Neuen Testament gelesen, jetzt fühl ich mich doch gleich ein wenig frischer. Zum Geburtstag möcht ich Dir gratulieren, alter Schwammerlsucher! 
Zum 41. Geburtstag alles Gute! 
Wir sehen uns ja heute abend. 
Heiner Link, 05.08.99 


Dein Nachbar ist ein charmanter Lügner. Er weiß, wie man Autoren beglückt, die für ein Expertenpublikum schreiben. Die größten Experten für Literatur sind natürlich schöne, reiche, intelligente Frauen, die aufgrund der Lektüre eines Romans in unsterbliche Liebe zum Dichter verfallen. Spezi, das glaubst Du doch selber nicht! 
Georg M. Oswald, 08.08.99 


" Erfolg macht sexy. Und sexy will jeder sein. Noch besser ist natürlich der internationale Erfolg, der macht international sexy. Erst der internationale Erfolg hat was wirklich Verruchtes. Da bin ich natürlich dabei." (Heiner Link, Affen zeichnen nicht).  
Nur Ärger den ganzen Tag und immer noch keine Literaturpreise. Immer, wenn ich mit dem Einräumen des Geschirrspülers dran bin, muß das Salz nachgefüllt werden. Das ginge ja noch, aber heute ist auch noch das Salz ausgegangen. Gestern abend ein Interview mit einer Journalistin vom Münchener Merkur. Stell Dir vor, die kannte sich richtig gut aus. (Ich kann das hier schreiben, weil sie keinen Internetanschluß hat). Einmal nicht das blöde Gequatsche, einmal nicht die Standardfragen (warum, weshalb, wieso und was wollen Sie damit ausdrücken?), richtig angenehm. Heute auch Telefonat mit Böttiger von der Frankfurter Rundschau, der unser Schriftstellertreffen in Rendsburg ankündigen und "entsprechend würdigen" will. Sehr nett, sehr interessiert. Was ist denn mit denen los? Aber das bißl Erfreuliche muß natürlich gleich wieder bezahlt werden. Lesung im Muffatcafé mit Franz Dobler als DJ wegen völlig indiskutabler Bedingungen endgültig geplatzt. Da hätt ich noch Geld mitbringen sollen. Aber gut, dann les ich halt in der Eichenauer Gemeindebücherei an die Regale hin, das ist mir auch recht. Oder ich probiers mal in Puchheim, da hast Du ja auch schon mal gelesen. 
  Heiner Link, 10.08.99 
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Ja, im katholischen Pfarrheim. Über zweihundert Leute waren da. Die sind aber nicht zu meiner Lesung gekommen, sondern zur Generalprobe für eine am nächsten Tag wohl stattgefunden habende Firmungsfeierlichkeit in einem anderen Saal. Ich hingegen hatte acht Zuhörer. Zwei alte Damen, die, als ich las, ständig den Kopf schüttelten, die Buchhändlerin, ein Faktotum, vermutlich der Glöckner oder Pedell des Hauses, eine sogenannte Journalistin der Regionalbeilage der SZ mit Namen Zeckhuhn o. s. ä., eine Frau mittleren Alters, die - man stelle sich das vor, alle meine Bücher gelesen hatte! - und zwei Schülerinnen, die den ganzen Abend über vollkommen abwesend schienen.  
Es war ein rauschhaftes Erlebnis, ich las, wie ich noch nie in meinem Leben gelesen hatte, befeuert von der atemberaubenden Kulisse, die mir Lorbeerkränze zuwarf und mich mit da capo-Rufen zum Äußersten trieb! Sagte ich, die alten Damen hätten ständig den Kopf geschüttelt? Das hatte nichts mit meiner Lesung zu tun, das war nur der Parkinson. Sagte ich , die Schülerinnen scheinten vollkommen abwesend? Sie waren in Trance! Frau Zeckhuhn warf mir ihren BH auf die Bühne, es war ein kulturelles Ereignis allerersten Ranges, mein Lieber! Ich kann Dir nur raten, lies in Puchheim, das Publikum dort ist nicht zahlreich aber von hohem Geschmack. Zefix.  
Morgen fahre ich in den Schwarzwald auf eine Berghütte und werde schreiben, nur schreiben. kein Internet, kein Telefon, kein Fernseher. Nur: mein Roman. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie ich mich darauf freue. Bericht folgt.  
Georg M. Oswald, 12.08.99 


So war das nicht gemeint. Macht der mir hier die ganze Lokalpresse zum Feind. Ja, was glaubst Du denn, wie ich jetzt dastehe? Ich fühle mich im Landkreis Fürstenfeldbruck wohl. Ich habe Berichterstattung. Ich mag Puchheim. Das kann eigentlich nur die Sendlinger Überheblichkeit sein. Du mußt schon damit leben können, einmal nicht vom Publikum angenommen zu werden. Aber gut, Dir will ich es auch mitteilen, ich schreibe dies unter größten Schmerzen, denn ich habe mir heute am Zigarettenautomaten das rechte Handgelenk geprellt. Es ist ein wenig geschwollen, und ich kann die Farbe schlecht einschätzen. Lila oder blaugrün. Und dann habe ich heute 480 Gramm Bohnen eigenständig abgewogen, es handelte sich, glaube ich, um knapp zwo Mark, was die Kassiererin vom SPAR nicht glauben wollte. Ein Nachwiegen ergab, daß ich nicht betrogen hatte. Ein ereignisreicher Tag also. Fast wie im richtigen Leben. 
Heiner Link, 12.08.99  

Längst ist er wieder da, der Kollege Oswald, aber es scheint ihn der jäh hereingebrochene internationale Erfolg zu hemmen. Na gut, dann will ich auch einmal Anekdotisches preisgeben, damit uns die paar Hundert Rechner erhalten bleiben. Was habe ich die letzten Tage erlebt, das auch für die Nachwelt interessant sein könnte?  Ich habe in der Lufthansamaschine von München nach Hamburg das Feuilleton der FAZ gelesen. Über Erfurt bin ich dann aufgewacht, weil mich der Nachbar zur Linken auf eine Grenzüberschreitung hinwies. Ein Fitzelchen Zeitung berührte sein rechtes Knie. Um Gottes Willen sagte ich, wie konnte das passieren. Na ja, so schlimm wars auch wieder nicht, sagte er. Nein, nein, sagte ich, und riß die Zeitung nach rechts, wo eine ausgesprochen hübsche junge Dame saß. Es hat nicht funktioniert, aber man wird mir zugute halten müssen, daß ich immerhin einen ziemlich prompten Einfall hatte.  
Ich möchte wirklich wissen, warum ich bei den Frauen immer alles falsch mache. Ich meine, selbst Maxim Biller hat eine Geliebte. Wie steh ich denn literaturgeschichtlich da, ohne Weibergeschichten?  
Ach ja.  
Na, na, na. 
Ja, ja, ja. 
Nix, nix, nix. 
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Heiner Link, 26.08.99 

DamenundHerren, ich bins schon wieder. Der Kollege Oswald ist verschollen. Ich soll zwar angeblich am Sonntag mit zum Wandern in eine mir unbekannte Schlucht gehen, soviel konnte ich der versatzstückhaften Andeutung meiner Frau entnehmen, aber wenn es in dieser Schlucht kein Wirtshaus gibt, dann kann sie mir gestohlen bleiben. Die frische Luft und das Ahhhh und Ohhhh beim Betrachten von Granit, entschuldigung. Oswald behauptet ja auch immer, ich wäre ein gefühlloser Bauernfünfer. Nehmen wir die Sonnenfinsternis. Wenn ein Wind aufgekommen wäre, gut, aber es kam kein Wind nicht auf, und hier in Eichenau sind die Vögel auch nicht von den Ästen gefallen. Vorschriftsmäßig aber schaltete sich dagegen die Straßenbeleuchtung ein. Sowas muß man doch auch mal feststellen können. Vielleicht unterstützt mich ja auch mal jemand, gefälligst.    
.Heiner Link, 27.08.99 

Richtig, ich musste nachdenken, und das dauert bei jemandem wie mir mitunter etwas länger. Ich bin ein schwerfälliger Kopf, der sich schnell in eine Sache verrennt. Ich war im Schwarzwald, um an meinem Buch zu schreiben. Das Schreiben ging gut, aber der Schwarzwald ist eine erstrangige Scheusslichkeit. Zwischen den höchsten Wasserfällen Europas und den grössten Kuckucksuhren der Welt, die jede zweite Gemeinde behauptet, in ihrem Territorium ausstellen zu können, trifft man ausser auf Japaner und Amerikaner auch auf Einheimische und die sind samt und sonders vom Teufel geritten. Will man um halbneun abends ein warmes Essen bestellen, gilt man sofort als verkrachte Existenz. Geht man um zehn Uhr nachts zur örtlichen Telefonzelle, wird man am nächsten Tag beäugt wie ein Verbrecher. Ich übertreibe? Nein, ich berichte, was ich erlebt habe. Daß ich jeden Tag zwölf Stunden vor meinem Notebook gesessen bin und dabei geraucht und getrunken habe - das Rauchen und Trinken gehört für mich zum Schreiben wie das Notebook und, meinetwegen, der Drucker  - hielten die Leute dort für den Beweis meiner Gemeingefährlichkeit. „Ä Buach schreibet Se!“ sagten Sie, als hätten Sie mich eines Verbrechens überführt. „Gängäs halt ämal nous in die freie Natour!“ 
Es war schon recht, da im Schwarzwald. Ich schreibe am liebsten dort, wo man sofort gesagt kriegt, daß es eine absolute Zumutung für den Rest der Welt ist, wenn einer schreibt, egal, ob man für sein Zimmer bezahlt oder nicht. 
Zu deinem letzten Eintrag: Ich habe nie gesagt, daß du ein gefühlloser Bauernfünfer bist, sondern du bist ein dreifach linksverzinkter Bauernfünfer, was noch viel schlimmer ist! Wir sehen uns in der Partnachklamm! 
Georg M. Oswald, 28.08.99 


Partnachlamm, ja. Mußten wir da auf einer Zeugen-Jehowas-Almhütte landen und alkoholfreies Bier trinken? Hats das gebraucht? Soviel zum Thema: "Gängäs halt ämal nous in die freie Natour!" Alkoholfreies Bier, auf einer bayerischen Berghütte, Zeugen Jehowas in den Garmischer Hausbergen, ja moment einmal, da muß man sich doch fragen, was da eigentlich vor sich geht. Ich bin ja nun wirklich kein Traditionalist, aber  das Bier ist schließlich das letzte revolutionäre Element in diesem Restbayern, das muß doch verteidigt werden. Könige haben sich da schon die Zähne ausgebissen, gelt, und dann kommt da so ein Kräuterweiberl daher und drückt mir ein Bleifreies in die Hand. Hinspeiben hätt ichs ihr sollen. So, wie sie die Halbe aus dieser Hütte herausgereicht hat, hätt ich ihr den Inhalt wieder hineinspeiben sollen. Was haben wir bestellt (ich möchte, daß Du das hier öffentlich bestätigst!), ein Bier haben wir bestellt, Du ein Weißbier und ich ein Helles. Korrekt im Dialekt. Da gibt uns die doch glatt, ohne auch nur drauf hinzuweisen, wenn  Frauen und Kinder nicht dabeigewesen wären, für mich gehört die verhaftet. Oder ausgewiesen. Mindestens politisch verfolgt.  
Soweit ging die Erniedrigung, daß ich dann bei der Rodelbahn im Tal ein Weißbier mit Alkohol bestellt habe! In Garmisch-Partenkirchen! Muß ich in Garmisch-Partenkichen ein Weißbier mit dem Zusatz bitte mit Alkohol bestellen? Sind wir schon soweit? 
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Alles bloß wegen der Religionsfreiheit, gegen die ich mich hiermit nachdrücklich ausspreche. 
Heiner Link, 30.08.99  


Na ja, so wie wir hier arbeiten, kann eben nicht jeder Beitrag gut sein. Macht aber nix, denn Kollege Oswald darf sich vertraglich nicht negativ äußern, und sonst kommt mir hier keiner rein. Da ist also gar nichts zu befürchten.  
Lieber Lou Probsthayn, Dich möcht ich wenigstens erwähnen, weil Du mir die Treue hältst. Ich habe mir Deine Piper-Satirebändchen gekauft. Nur, daß Du Dich auskennst. Ach ja, weil wir grad in Hamburg sind: Lieber Stefan, kannst Du mir nicht das Foto von Dir und Oswald aus der Bunten schicken. Das könnte man hier schön einmontieren. Ansonsten gebe ich bekannt, daß ich gestern abend 42 Seiten aus meinem (in Arbeit befindlichen) Roman zum Fenster rausgeschmissen habe, völlig zerfetzt versteht sich, und anschließend unter Aufbietung meiner doch recht schmalen EDV-Kenntnisse fast meine Festplatte gelöscht hätte (Beim Versuch auch die Sicherungsdateien zu eliminieren). 
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Houellebecq gekauft und angelesen (30 Seiten) 
Dr. Strychninski in der Pasinger Fabrik gesehen, Pfeife (rauchend) 
Meinem Lektor telefonisch vorgejammert 
Conny Lösch nicht erreicht 
Müßte mal wieder die Flaschen wegbringen 
Heiner Link, 03.09.99 


Meine letzten Manuskriptvernichtungsorgien liegen gottseidank schon eine Weile zurück. Schlimm waren die, bei denen an das Wegwerfen eines Manuskripts die Frage geknüpft war, ob es überhaupt einen Sinn hat, weiterzumachen, ob man es je schaffen könne, ein Schriftsteller zu werden. Heute reut es mich um jedes Blatt, das ich weggeworfen habe - insbesondere um die Tagebücher - nach ein paar Jahren nämlich kann man die Sachen lesen wie die eines Fremden. Man sieht ihr Ungenügen, ihre Stärken vielleicht auch, mit kühlerem Blick. Fall mir jetzt bloß nicht vom Dach, bei dem Versuch, die Manuskriptfitzel wieder einzusammeln. 
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Vorgestern mit Norbert sauren Pressack , rot und weiß, zu Mittag gegessen. Saurer Pressack ist das Größte, wenn er mit Hengstenberg Altmeister-Essig angemacht ist. Den hat meine Oma in Wessling immer verwendet. Beiße ich in ein Stück hinein, habe ich die Küche meiner Oma wieder vor mir, das großgeblümte Wachstischtuch auf dem Resopaltisch, das Ticken der Wanduhr, den Brotkasten, die Plätzchendose, in denen sie das ganze Jahr über Weihnachtsplätzchen aufbewahrt hat, die im Sommer dann so hart waren wie Panzerplatten, das Foto von meinem Opa, der ja schon starb, als ich drei Jahre alt war. 
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Mein Opa hätte Dir gefallen. Er hat meine Oma in der Wirtschaft kennengelernt. Dort hat er mit seinen Freunden gesungen: „Und mir genga nimma hoam, weil mir die Mondscheinbriada san.“ Meine Oma war Bedienung. Eines Abends hat er ihr einen Antrag gemacht und versprochen, nie mehr ins Wirtshaus zu gehen, wenn sie ihn heirate. Also haben sie die Ehe geschlossen. Das Gelübde hat vierzehn Tage gehalten. Dann ist er wieder zu seinen Mondscheinbrüdern zurück, zum Kegeln, Saufen und Rauchen. Weiße Eule hat er geraucht. Deshalb ist er auch nicht alt geworden. 
Georg M. Oswald, 04.09.99 
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 Heute vormittag Frühschoppen mit meinem Vater im Weißen Bräuhaus. Seit seinem Schlaganfall fängt er immer mit einem Mineralwasser an. Das ist verständlich. Wurden dann aber doch drei Weißbier, das ist auch verständlich.  
Beim Hinfahren habe ich ihn noch darum gebeten, seinen Stammtischbrüdern (ich bin da nur Gast) nichts von den drei Zeitungsartikeln zu erzählen, auf die er so stolz ist. Ich meine, das sind ganz angenehme Leute, die noch nie dumme Fragen gestellt haben, verstehst, bisher konnte ich da meine fünf Halbe immer in Ruhe und Gemütlichkeit zu mir nehmen. Idiosynkrasie? Der Mann (mein Vater) hatte Tränen in den Augen, als er ein Foto von mir im Münchener Merkur (Lokalausgabe Bad Tölz) sah. Sollte mich Deine Schwester (sag ja nix zu ihr) jemals zu einem Auftritt im Frühstücksfernsehen zu überreden versuchen, würde ich ihm die Freude machen, das ist klar, aber im Weißen Bräuhaus mag ich doch auch weiterhin unbedrängt an mein Halbeglas hinnuckeln (Die schauen kein Frühstücksfernsehen).  
Jeden Tag ein anderes Problem. 
Ach so, ja, übrigens, beim "Hungerleider" habe ich 600 Seiten weggeschmissen, und ich bereue keine einzige davon. Als ich damals mit dem fertigen Manuskript vorstellig geworden bin, wollte man gar nicht glauben, daß ich ansonsten nichts habe, keine Kurzgeschichte, kein Gedicht, kein Essay, kein wie auch immer gearteter literarischer Pfurz, ich hatte nichts, nur den "Hungerleider". Ach so, ja, und den Text, der in der Poetry-Slam-Anthologie erschien, den hatte ich zwar auch schon weggeschmissen, der erschien aber vorher in einem Hamburger Fanzine, wo ihn Andy zufällig entdeckte. Soll jetzt keine Kokettiererei sein, aber das waren doch die Anfänge, ich meine, ein gestandener Handwerker hebt doch auch nicht das krummgefeilte Eisenstück, für das er als Lehrling nochdazu eine ordentliche Bockfotzn kassiert hat, auf. Oder bin ich da zu unromantisch? Wieder mal.  
Wieder mal Bauernfünfer, was? 
Und da ich auch heute noch am Anfang stehe, muß ich auch heute noch wegschmeissen.  
Ich muß mich jetzt hinlegen.  
Heiner Link, 04.09.99 

Du hast recht, man steht natürlich immer am Anfang. Aber mein Verhältnis zum Wegschmeissen ist undramatischer geworden, professioneller, wenn Du so willst. Du hast ja mitbekommen, dass es auf dem Weg zu meinem neuen Buch bereits drei verworfene Fassungen bzw. Varianten gab. Das sind zusammen locker 300 Seiten, die ich da geschrieben habe, die aber nicht Bestandteil des Buches werden. Nur stresst es mich nicht mehr so. Ich verlasse mich einfach darauf, daß es mir gelingen wird, den richtigen Weg, den richtigen Tonfall, die richtige Erzählperspektive usw. zu finden. Ich glaube, genau dieser Prozess des  Schreibens, Kontrollierens, Überarbeitens, Verwerfens und erneuten Schreibens auf ein ungewisses Ziel hin, das sich erst im Verlauf dieser Arbeit zu erkennen gibt und das man zu Beginn allenfalls vage zu benennen wüsste, genau dieser Prozess - und nur der - hat es verdient, „dichten“ genannt zu werden
. Georg M. Oswald, 05.09.99 
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Heute morgen um 5.20 Uhr heimgekommen, um 12.15 aufgestanden, Schweinebraten zum Frühstück, dann drei Stunden in der Badewanne Houellebecq gelesen, anschließend Folge 18 von ALBUM geschrieben, und jetzt hier dieser kleine Tagesbericht. Beziehungsweise dieser kleine Nachbericht, denn ich war gestern mit drei Anwälten im Kunstpark Ost unterwegs. Mit Dir zusammen lieber Girgl, kenn ich also insgesamt 4 A(d)vocados, man könnte meinen, ich wäre somit sogar gegen giftige Pfeile gefeit, aber nein, sie haben uns nicht mal ins K41 gelassen, auch nicht in die Cohibar, nur beim Tabledancing klappte es, weil das zwanzig Mark Eintritt kostet. Ich glaube, ich bin allmählich wirklich zu alt für diese Art des Ausgehens. Wo warst Du?  
Heiner Link, 05.09.99 
 
Wer versucht , mit drei Rechtsanwälten in Diskotheken zu gehen, hat sie erstens nicht alle, muß sich zweitens nicht wundern, wenn er nirgends reinkommt, landet drittens naturgemäss in einer Tabledance-Bar und muss viertens eigentlich ein gesuchter Verbrecher der Spitzenklasse sein! 
Die Tabledance-Bar von der Du erzählst, ist mir durch Martin Fengels Beschreibung ein Begriff. Er hat vor ein paar Wochen für das neue Merian-Heft über München dort fotografiert und es geschah folgendes: 
Er stand am Rand der Bühne mit seiner Kamera und eine Tänzerin hatte sich einen Typen aus dem Publikum hochgeholt, sie tanzte ihren sexy Tanz und der enthusiasmierte Gast tanzte fleissig mit. Sie war irgendwann nackt, er nur noch in der Unterhose. Er liess die Hüften kreisen und riss sich endlich auch die Boxershorts vom Leib und heraus platzte sein halbsteifer Pimmel. Grosse Begeisterung beim Publikum. Martin fragte den jungen Herrn hinterher, ob er die Fotos verwenden dürfe. Der sagte: „Ja, klar, aber keines, wo mein Gesicht drauf ist. Ich bin schliesslich Rechtsanwalt hier in München. Mein Bruder ist gerade hier her gezogen um mit dem Jurastudium anzufangen und ich will ihm die Stadt zeigen.“ 
SO, mein lieber Freund, ist das mit den Rechtsanwälten. Dass Du vier davon zu Deinem Bekanntenkreis zählst, sollte Dir zu denken geben. 
Georg M. Oswald, 06.09.99 


Endlich habe ich den Scheiß-Gartenzaun fertig gestrichen. Schön hab ichs nicht gemacht, weil ich sowas hasse. Das hält mich alles auf. Ich würde eigentlich am Liebsten in einem Hotelzimmer wohnen. Nabokov hat schon gewußt, was er tat. 
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Gestern abend war ich mit Norbert im Biergarten, anschließend im Pasinger Stüberl. Da war ich schon 15 Jahre nicht mehr drin, die haben mich aber gleich wieder erkannt. Bißl gschaut hams schon, weil mit Norbert wirds ja immer sehr theoretisch. Das waren sie nicht gewohnt. Ja, und dann hatten wir dieses amerikanische Zwetschgenmanderl zum Thema, Du weißt schon, der mit den vanillefarbenen Anzügen, da war Norbert nur schwer zu halten. War wieder mal sehr lustig, spät, zu Hause dann noch einen doppelten Absegler, und schon war der heutige Vormittag auch vorbei. Ich muß schon sagen, meine Vormittage sind nicht sehr produktiv. Die Kinder frühstücken schon selbständig. 
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Ralf-Rainer Rygulla hat mich zu einer Lesung in seinem Club in Frankfurt eingeladen. Am Buchmessedonnerstag. Das tröstet mich darüber hinweg, daß ich am Freitag ins Lesezelt muß. Ach, die Messe, das auch noch. 
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Ach so, ja, warum um mich herum alle Rechtsanwalt werden, weiß ich auch nicht. Ich denke aber nicht, daß ich darüber ernsthaft nachdenken werde. 
Heiner Link, 07.09.99 

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Du meine Güte, jetzt ist es 8:30h und ich sitze am Schreibtisch, den Tag und die Arbeit vor mir.Ich schreib gerade was für die SZ über Literatur und Internet, Goetz, pool, Null, die „Dreizehn“ kommen darin vor. Aber ich denke nicht an die Arbeit sondern an Simon, wie er heulend aus dem Kindergartenfenster herausgewunken hat, als ich vorhin weggegangen bin. Diese sogenannte „Eingewöhnungsphase“ ist schon für mich auch eine. Ich träume auch oft von einem Hotelzimmer a la Nabokov. Der Traum heisst: Entbunden sein von allen menschlichen Verpflichtungen und nur schreiben. Die Woche im Schwarzwald war etwas in diese Richtung, und ich sage dir, nach fünf Tagen, fühlte ich mich von Leere bedrängt. Wenn man tatsächlich so „ein neues Leben“ anfinge, in einer anderen Stadt, ohne Bindungen usw. - ich bin sicher, man hätte binnen sechs Monaten dafür gesorgt, dass um einen herum das gewohnte Alltagschaos herrschte, einfach, weil man es anders nicht aushielte. Und dann würde man wieder zu jammern beginnen. Also: Nicht jammern. 
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Ralf-Rainer Rygulla. Wie habt ihr Euch denn kennengelernt? Der Mann ist ja Literaturgeschichte, und nicht nur wegen seiner Freundschaft mit Brinkmann. Ich weiss nicht, ob ich zur Buchmesse fahren werde. Für jemanden, der gerade an einem Roman schreibt, scheint mir die Messe der falscheste aller Orte. 
Georg M. Oswald, 08.09.99 


Nicht so mimosenhaft, Herr Kollege, wir schreiben alle an einem Roman und müssen dabei mehr aushalten als die Buchmesse. Ich stöhne ja nur wegen der Sauferei, an der man nicht vorbeikommt. Das ist sogar mir zuviel. 
Rygulla kenne ich nicht persönlich. Ich weiß nur, daß er in Frankfurt einen Club mit dem Namen U 60311 hat, ein Techno-Club glaube ich. Und da finden in der Bar wohl ab und zu Lesungen statt. Auf Brinkmann werde ich ihn nicht ansprechen, ich schätze mal, das kann er nicht mehr hören. Schade, daß er nichts mehr macht, aber man muß auch akzeptieren, daß er irgendwann die Schnauze voll hatte. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, weil ich auch regelmäßig die Schnauze voll habe und mir denke, Mensch, was für ein Wahnsinn, sein ganzes Leben an der Literatur auszurichten. Erst muß man jahrelang den Lehrbuben im Feuilleton spielen, den Idioten, und wenn man dann nach vielen Jahren Erfolg hat, wird man erst recht zum Idioten, und schreibt Bücher mit dem Titel: "Am Felsfenster morgens".  
Ich habe in Fürstenfeldbruck bei den "Bayerischen Literaturtagen der Kester-Haeusler-Stiftung ("1988 in Erinnerung an Generalmajor Caspar Haeusler, Mitglied des Reichstages von 1907 bis 1918 gegründet") mit Richard Obermayr darüber gesprochen, der denkt ernsthaft ans Aufhören. Ein Buch noch, fünf Bibliotheksexemplare und fertig. Das waren seine Worte. 
So gehts natürlich auch nicht. Ich denke mir: Solange mich John von Düffel noch siezt, mach ich auf alle Fälle weiter. 
Heiner Link, 08.09.99  


DamenundHerren, ich bins schon wieder. Kollege Oswald hat grad einiges auf der pool-Seite zu tun. Weil er sich aber auch immer einmischen muß, statt doof mit rumzublödeln. Christian Kracht, so lese ich gerade, entblödet sich nicht, Nazi-Terminologie einzusetzen, denn alles andere wäre ja schließlich bloß ironisch. Wir spenden alle für einen vanillefarbenen Anzug, vielleicht reichts sogar auch noch für das andere Zwetschgenmanderl, für Stuckrad-Barre. 

Ja, nun, man tauscht sich eben aus, nicht wahr. Ich habe vorhin einen Wurstsalat aus Lyoner bestellt und einen aus Regensburger bekommen. So läuft das heutzutage. Regt man sich auf: Genickschuß. Nur, weil man nicht cool genug war.  
Und dann noch dieses herrliche Wetter, mitte September. 
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Lieber Girgl, laß uns Pool hier nicht zum Thema machen. Ihr müßt da drüben selber klar kommen. Dem Kracht warst Du mit Deinen Vorschlägen einfach nicht pop genug, da könnten wir schon eher drüber reden. Über diesen beschissenen Zustand.    
Heiner Link, 11.09.99 
 

Lieber Heiner, ich nehme Dich beim Wort: pool ist in pool ein Thema, aber nicht hier. Nur soviel: Pop ist mir wurscht, ich interessiere mich für Literatur. Wer sich mit Autoren im Netz zusammentut und dann nicht herausrücken will, wie er’s mit dem Schreiben hält - um was soll es denn sonst gehen? - produziert Langeweile. Und das ist, gleich ob Pop oder Literatur oder sonstwas, immer verboten, sobald man öffentlich wird. Kracht wird mit seinem hysterischen „Genickschuss“-Geschrei nicht durchkommen. Dazu ist die Frage, die er beantworten muss, zu einfach: Warum schreibst Du in pool? Ich habe sie ihm gestellt. Wir dürfen gespannt sein. So, damit aber genug jetzt. Der Rest steht im pool - oder auch nicht. 
Georg M. Oswald, 12.11.99  


.Heute um 12.30 aufgstanden, Suppenfleisch zum Frühstück. Na ja, ich esse eben, was grad da ist. Meine Tochter hat heute in unserer Garageneinfahrt einen Flohmarkt eröffnet und alle betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse über den Haufen geworfen. Insbesondere die Standortfrage wird neu diskutiert werden müssen. Ich will das hier kurz aufzeigen, auch um klar zu machen, daß die Literatur durch genaue Beobachtung und Niederschrift politisch etwas bewegen kann. DamenundHerren aus den Glaspalästen: Aufgemerkt! 
Sonntags wird unsere Straße pro Stunde durchschnittlich von zwokommafünf Rentnern frequentiert. Kaufkraft extrem schlecht. Zielgruppe dings negativ, bekanntlich sind Rentner nicht unbedingt brennend an kleinen Plastik-U-Booten, Comics, Rollschuhen etc. interessiert. Aber Ausrufezeichen Keine drei Stunden benötigte meine Tochter, um die Umsatzschallmauer von 20 Mark quasi fliegend zu durchbrechen. Mittlerweile hat sie 48,60 Mark eingenommen, 14 Rentner rangeln an ihrem Tisch, meine Frau serviert Kaffee.  
Schreibt Euch das hinter die Löffel, Ihr Schnarchsäcke aus Industrie und Wirtschaft. Der Standort Deutschland ist interessant wie nie, und Rentner sind keine Belastung für unser Sozialystem, sondern eine ernstzunehmende Zielgruppe. An die Schlafes Brüder aus der Politik appelliere ich: Erhöht die Renten und hebt das Ladenschlußgesetz auf! Alles wird gut werden!  
Heiner Link, 12.09.99 


Lieber Girgl, 
Dir als alten Weßlinger möchte ich mit dieser Besprechung des Affenbuches eine Freude machen. Was sagst Du dazu, soll einer sagen, ich hätte nicht spannende Presse.  
(Starnberger Merkur, 04.09.99) 
 

 
 
Lieber Herr Bürgermeister Mörtl, 
mit Ihrem Humor haben Sie mir eine Freude gemacht, glauben Sie mir. Allerdings schrieb ich in meinem Text insbesondere über das kleine Schlösschen am Weßlinger See, das so leer aussieht, und da ich gerade eine Wohnung suche, fände ich es nicht schlecht, wenn Sie mir den Ostflügel anbieten würden. Wie gesagt, Weßling hätte einen Sandflohhändler und Gilching würde blöd schauen. Ich stehe auch nach wie vor zu meinem Angebot, mich jeden Nachmittag eine halbe Stunde in Hermelin gehüllt auf das kleine Schloßmäuerchen zu stellen und Tanzschritte einzuüben. Das zöge die Touristen an. Beteiligt am Elektrobootumsatz wäre ich - was sage ich - wären wir auch finanziell aus dem Schneider. Überhaupt, jetzt, wo wir das Ganze pressemäßig so angeschoben haben, wären wir schön blöd, nicht dran zu bleiben. Bedenken Sie bitte die kulturpolitische Dimension. Sie sind ja, wie ich annehme, in der CSU, stellen Sie sich mal vor, wie diese Kaulquappennumerierer schauen, wenn Sie einen Altlinken in das Schloß einquartieren. 
Faszinierend, was alles machbar ist. Ich würde sagen, das ist ein Wasserpfeichen wert. (Ich wußte, Weßling wird mich lieben).
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Heiner Link
(17.09.99)
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Lieber Heiner,
als „Geschäftsführer ohne Auftrag“, wie es juristisch heisst, will ich es übernehmen, Dir anstelle des Wesslinger Bürgermeisters zu antworten. Du wirst das verstehen, wer heutzutage Politik macht, braucht auch Leute, die das eine oder andere für ihn erledigen, das ist ein knüppelharter Knochenjob. Und ich, als quasi gebürtiger Wesslinger (nicht ganz gebürtig: Zur Niederkunft wurde meine Mutter ins Rotkreuzkrankenhaus in München verbracht, aber schon wenige Tage danach schnupperte ich die unvergleichliche Luft der Gemeinde Wessling), trage gewissermassen die natürliche Berechtigung in mir, das zu tun.
Wie Du richtig vermutest, ist unser Bürgermeister - ich möchte fast sagen naturgemäss - Mitglied der CSU und, wenn ich richtig informiert bin, übt er sein Amt ohne Unterbrechung seit dem Abzug der Schweden im Jahr 1648 ununterbrochen aus.
Wessling ist - seit dem Abzug der Schweden - ein Ort des Wohlstands und der Künste, deshalb ist unser Bürgermeister den Umgang mit Dichtern gewohnt, und hat Dir ja auch das gemeinsame Rauchen einer Wasserpfeife quasi schon zugesagt. Ich weiss, unser Bürgermeister hält seine Versprechen. Wahltaktische Heucheleien, um auch Randgruppen als Wähler zu gewinnen, hat er nicht nötig, Du darfst ihn gerne beim Wort nehmen. Die Telefonnummer der Gemeindeverwaltung ist mir bekannt, ich werde sie Dir durchgeben.
Nur soviel, auch Renoir und Thomas Mann weilten in Wessling, die Mutter des letzteren starb sogar dort, namentlich im „Gasthof zur Post“, was aber, wie man hört, nicht an der Unterbringung gelegen hat.
Dennoch muss ich Dein Anliegen, das Schlösschen betreffend, leider abschlägig verbescheiden, da dieses sich von jeher in Privatbesitz befindet und unser Bürgermeister, selbst wenn er wollte, keinen Zugriff darauf hätte. Auch 1918/1919 hat in Wessling keine Vergesellschaftung des Privateigentums von Adel und Grossbürgertum stattgefunden, weil diese Revolution - wie jede andere auch -  den Wesslingern erst bekannt geworden ist, als sie längst schon wieder vorbei war. Die S-Bahn-Anbindung an München, die hier einiges verändert hat, kam erst später. Im übrigen bestehen auch Bedenken, was Deine Eignung als Bewohner dieses Schlösschens betrifft. Du hast von Ausflügen über den See mit einem Elektroboot gesprochen. Soweit mir bekannt ist, hat es seit dem Abzug der Schweden niemand mehr gewagt, das Dorfheiligtum, den See, UNSEREN SEE, mit einem wie auch immer motorisierten Gefährt zu entweihen. Auf so eine Idee kann nur ein Gilchinger kommen, oder ein Eichenauer, oder ein Schwede, weswegen man die auch keinesfalls hereinlassen darf. Was ich mir für Dich allenfalls vorstellen könnte, wäre eine Lesung in Wessling. Vorerst allerdings nur in einem der vorgelagerten, eingemendeten Ortsteile wie Oberpfaffenhofen oder Hochstadt. Darüber könnten wir vielleicht reden. Vielleicht, sage ich. Sehr, sehr vielleicht.
Georg M. Oswald, 19.09.99
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Kann ich also Weßling auch abhaken. Nichts haut hin. 
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Grade eben schneite mein Sohn hier rein, mit der Bitte, ihm übers Internet ein Buch zu bestellen. Von seinem Lieblingsautor Christian Bieniek, sagt er, und hält mir ein Buch hin. Titel: Oberschnüffler Oswald. "Hallo, ich bins, Oberschnüffler Oswald, der tollste und schlauste Detektiv der Stadt. Und der einzige, der den Bösewichtern auf vier Beinen nachsetzt. Tja, es gab Zeiten, da war Fressen meine Lieblingsbeschäftigung. Aber die sind ein für alle Mal vorbei!" Im Text gehts dann gleich zur Sache: "Dein Scheißköter hat mich gebissen! >Oswald beißt nicht<, widerspricht Sven sofort ... >Ach nee!< und woher kommt die Wunde an meinem Bein, du Spinner? Was für eine Wunde, erwidert Sven gelassen. >Ich sehe nur einen roten Fleck<. 
Kommt noch besser: "Hey, ich rieche was, was du nicht riechst, und das ist süß. Ich folge diesem Duft - und was entdecke ich hinter einer Bank, auf der zwei Frauen sitzen?
Zuckerwatte - geil! Ich bohre meine Schnauze in die Watte und verputze das Zeug im Nu. Anschließend will ich meinen Weg fortsetzen - als die beiden Frauen plötzlich aufspringen, mich entsetzt anstarren und draufloskreischen. >Das ist der Dackel, der in der Zeitung stand!<, quiekt die eine und wird leichenblass. >Der mit der Tollwut!< >Hilfe! Hilfe!, brüllt die andere Frau immer wieder. 
Erschienen in arsEdition, 1997. Weitere Titel: Oberschnüffler Oswald jagt den Weihnachtsmann sowie Oberschnüffler Oswald und die Tütenbande.
Hab ich natürlich heute beides bestellt.
Heiner Link, 20.09.99
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 Hilfe! Die Supermarktkassiererin redet mit mir. Jetzt hab ich die auch noch am Hals. Erst hat sie mich zwei Mal angeschissen, falsch gewogen (Sellerie) etc., dann hab ich mal gesagt, daß sie das unterlassen soll, weil ich ein Choleriker bin, gelt, damit sie sich gleich auskennt, und jetzt redet die mit mir. Ach, gibts heut Salat? Mit Pilzen? Schneiden Sie die da frisch rein? Schnittlauch auch? Ja gibts denn sowas? Heut schon wieder. Kann ich nicht haben. Ich will meine Ruhe haben und nicht so seicht von der Seite angeqautscht werden. Nächstens fragt die mich, was ich denn so mache, dann gehts richtig ab. Bisher sagte ich meistens Journalist, das klingt nicht so angeberisch wie Schriftsteller (Idee Helmut Krausser), habe aber damit keine guten Erfahrungen gemacht. Lieber Helmut Krausser, wenn Du das zufällig liest, laß Dir von mir auch mal was sagen: Es ist besser Schriftsteller zu sagen. Was folgt, ist die üblich blöde Frage: Was schreiben Sie denn so? Und damit ist das Problem schon gelöst. Man muß nur antworten: Vornehmlich Essays zu Raymond Federmans Essays (ich glaube der Plural ist hier falsch, macht aber in dem Zusammenhang nichts), z.B. die Kritikfiktion, die Einbildungskraft als Plagiarismus, aber auch ... hier wird man dann meist schon unterbrochen und fortan nie mehr belästigt.
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Gestern schöne und sehr fundierte Affenbuchbesprechung im Deutschlandradio. Habe mich dann geärgert, daß ich beschlossen habe, hier keine Kritiken, Stipendien, geschönten Lebensdaten und andere Beweihräucherungen reinzustellen. Andererseits - nicht wahr - sollte man nicht päpstlicher als der Pabst sein. Ausnahmen bestätigen die Regel, man muß das nur lange genug vor sich hinbeten, und man wird weich. 
Was noch, ach so ja, Girgl, mag ja sein, daß wir die sogenannten "Nixblicker" sind, aber Humor haben wir. Unseren Freunden von Pool und Loop gewidmet: 
 
 
 
 
 
"Na, hast du auch nicht an den Baum gepinkelt?", fragt Timo. "Das würde Oswald niemals tun", behauptet Timos Frauchen. "Er ist doch stubenrein."
Aber nicht an Weihnachtstagen.
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Selten so gelacht.
Heiner Link, 23.09.99
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Ich verstehe nicht, was Du meinst, Heiner: Ich bin der absolute ALLESBLICKER, das ist von jeher die Grundvoraussetzung meiner Arbeit als Schriftsteller und Rechtsanwalt gewesen. Ich habe KEINERLEI „Humor“, sondern will die Welt belehren und verbessern, auch wenn sie das nicht hören will. Jesus - Nietzsche - Oberschnüffler Oswald. Kapiert?
Es grüsst, wandelnd an den Pforten des Grössenwahns, Ihre Majestät,
Georg M. Oswald, 24.09.99
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 Mein Gott, gehe ich einmal nüchtern ins Bett, kommen gleich die Alpträume. Immer falle ich von Hochhäusern, das kenn ich schon, gestern Nacht eine neue Variante: ich liege schlafend in meinem Bett und starre (schlafend) in die Dunkelheit, genauer gesagt an die prolettige Tapete. Da plötztlich ein Klopfen an der Tür. Drei Mal hintereinander, ganz kurz und abgehackt. Tocktocktock. So DU-HAST-WAS-AUSGEFRESSEN-MÄSSIG. Halleluja. Bin ich natürlich aufgestanden, in der Unterhose zur Tür, und habe mit einem freundlichen und übertrieben lautem "Herein" aufgemacht. Draußen auf dem Hotelflur standen aber nur Gummipflanzen. 
Dafür war ich dann heut früh um 7 Uhr hellwach. Was das ausmacht! Ich meine, toll! Und dann durfte ich um halbacht im Frühstücksraum dem ersten Pullunderträger einen Guten Morgen wünschen, die BILD am Sonntag von vor 3 Wochen lesen und lapprigen Orangensaft trinken. Gleich wieder rauf aufs Zimmer ohne Pay-TV, nur eine italienische Formel-1-Pilotin auf DSF, nein, sie weint nicht, wenn Ferarri nicht gewinnt, sehr schön, ich auch nicht. Dann nochmal eingenickt, um 9 aufgewacht, im Bad rumgepritschelt, alles zusammengeräumt, noch schnell eine geraucht, von der Putzfrau erwischt (Nichtraucherzimmer - muß i machn Meldung). 
Auf der Autobahn dann natürlich alles mit 200, hinten drin Wein für 1200 Mark, da hats geklimpert, einen Porsche 15 Minuten lang behindert (mutwillig), anschließend zwei Wohnmobile hinausgeschnitten, die mich (mutwillig) behindern wollten. Rasthof Sowieso, da bin ich, glaub ich, mit 160 rein, grad gepfiffen und gezischt hats, getankt, ein Kaffee, etwas heiß, nachen nie 8 nark gnadeaus, und schon wieder auf der Piste. 
Nach der Ausfahrt Fürstenfeldbruck 26 Kilometer Umleitung (Bauarbeiten), bei strömendem Regen Wein ausgeladen und in den Keller geschleppt, ein 2 Wochen altes Brot mit Pfeffersalami gegessen, jetzt hängen mir die Hautfetzen am Gaumen, Zunge völlig taub, Zigarette, Heizölaroma, und der Warmwasserboiler ist auch hin, sinnigerweise.
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Ich denke, ich beschließe den Tag mit etwas Wein.
Heiner Link, 26.09.99
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Was ist denn jetzt schon wieder los? Heute morgen totaler Stromausfall im ganzen Haus, und seit 14.00 Uhr komm ich nicht mehr ins Netz. Winsock-Fehler? Anruf bei Compuserve, nix Winsock, es ist der Münchener Einwahlknoten. Bei dingenden e-mails soll ich mich über Nürnberg einwählen. Nix da. Mir reichts jetzt. So lustig ist das nicht, zwei Mal am Tag die totale Abhängigkeit von der Technik vorgeführt zu bekommen. 
Lustig die Kommentare der Prominenz im SPIEGEL SPEZIAL zum Thema Literatur und Internet:
Norman Ohler: Es wäre zum Beispiel möglich, einen Roman ins Netz zu rufen, an dem mehrere Leute arbeiten.
Sten Nadolny: Für die deutsche Sprache sehe ich keine großen Gefahren durch das Netz.
Walter Kempowski: Buch bleibt Buch und Internet ist Internet.
Uta Danella: Ich weiß nicht, ob ein Internet-Mensch überhaupt noch Briefe schreiben kann.
Zoe Jenny: Die meisten Texte sind, der Schnelligkeit des Mediums entsprechend, unsorgfältig und geschwätzig.
Johannes Mario Simmel: Ich hasse das Internet. Wozu, verflucht, soll das Internet gut sein?
Jens Sparschuh: Ich habe schon mal einen Text im Internet veröffentlicht. Aber ich müßte lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich das sonderlich glücklich gemacht hätte.
Ingrid Noll: So tückisch, wie befürchtet ist der Zugang nicht,
Hätte ich ohne Stromausfall vielleicht gar nicht gelesen. 
Heiner Link, 30.09.99
 
 
 
 
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DIE BANALITÄT DES PROLLIGEN 2
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texte und kommentare bücher aktuelles