Auf Initiative der beiden Münchener Schriftsteller
Heiner Link und Norbert Niemann versammelten sich vom 20. – 22. August
1999 dreizehn junge deutschsprachige Autoren im Nordkolleg Rendsburg zu
einer konstituierenden Sitzung der Autorengruppe Treffen der Dreizehn.
Ziel der Dreizehn ist es, in zweijährigem Rhythmus ambitionierte
jüngere Schriftsteller zusammenzuführen, um außerhalb des
Literaturbetriebes über Texte, Arbeitsweisen- und bedingungen zu diskutieren.
Auf diese Weise soll versucht werden, ein Gegengewicht zu schaffen, die
Eigenständigkeit der Literatur gegenüber der Kommerzialisierung
ihres Marktes, aber auch der Institutionalisierung ihres Betriebes zu stärken.
Ausserdem soll in demokratischer Abstimmung unter den Autoren der Autorenpreis
der Dreizehn vergeben werden.
Folgende Autoren nahmen 1999 teil:
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Tanja Dückers, Julia Franck, Sabine Gruber,
Annegret Held, Dagmar Leupold, Stefan Beuse, Klaus Böldl, Arno Geiger,
Thorsten Krämer,
Heiner Link, Norbert Niemann, Lou A.
Probsthayn, Chris Trautmann.
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Heiner Link und
Norbert Niemann wurden von den Autorinnen und Autoren der Dreizehn
zu den Sprechern der Autorengruppe für die Treffen in den Jahren 2001
und 2003 gewählt. Sie haben die Ergebnisse des konstitu- ierenden
Treffens 1999 in einem Statement und einem Statut zusammengefasst:
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STATEMENT
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SCHUBUMKEHR
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Es ist Bewegung
ins Spiel gekommen. Die junge deutsch- sprachige Gegenwartsliteratur boomt.
Verlage und auch Leser haben sie nach langer Dürrezeit wieder entdeckt,
und man könnte annehmen, die Autoren wären mit dieser Entwicklung
zufrieden. Kulturinstitutionen und Literatur- betrieb auf der einen Seite,
Verlage und Medien auf der anderen übertrumpfen sich gegenseitig beim
neuen Event „Literatur“. Ob Teenie-Prosa, Fräuleinwunder oder Pop-Soap
- was man auch macht, es scheint zu funktionieren. Es stellt sich nur die
Frage, für wen.
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Während die
Autoren von Wettbewerb zu Wettbewerb, von Werkstattgesprächen zu Büchertagen
und zurück durchgereicht werden, kristallisiert sich immer deutlicher
heraus, daß es in dieser ach so blühenden Landschaft an etwas
Wesentlichem mangelt. Denn die rasante Warenzirkulation und eine blinde
Betriebsbeflissenheit haben der Literatur den Boden entzogen, den sie braucht,
um sich über die Dominanz der Institutionen und des Marktes hinaus
in ihrem Gesamtkontext entfalten zu können, sich über sich und
ihr Verhältnis zur Gegenwart zu verständigen. Schließlich
sind es längst nicht mehr die Autoren, die Literatur definieren. Vielmehr
werden die Autoren und damit die Literatur von den herrschenden Verhältnissen
definiert.
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Die Gründungssitzung
der Dreizehn stand unter dem Leitstern, das Modell für ein
regelmäßig stattfindendes Treffen zu entwerfen, an dem ausschließlich
Autoren teilnahmeberechtigt sind und mit dem sich etwas von diesem verlorengegangenen
Boden zurück oder neu gewinnen läßt. In einer konstituierenden
Versammlung wurde versucht, ein Statut zu erarbeiten, das vor allem den
jüngeren Autoren ihre Stimme zurückgibt. Dabei galt es zu vermeiden,
was derartigen Zusammenkünften systemimmanent anhaftet: die Erstarrung
zur exklusiven Gruppe. Andererseits erschien es uns durchaus sinnvoll,
die Vorteile der Gruppenstruktur zu nutzen: Kontinuität, Prozesscharakter
und Dialektik. Deshalb wurde versucht, möglichst offene Strukturen
zu finden, die Austausch, Verjüngung und ein kritisches Klima
gewährleisten und dennoch einen Rahmen bieten, der Identifikation
nicht ausschließt. Hierbei war es auch unerläßlich, die
notwendige Regie eines solches Projektes zu demokratisieren, und hier ebenfalls
Austausch und Verjüngung möglich zu machen. Da es um eine Auseinandersetzung
mit Literatur in ihrem zeitgenössischen Zusammenhang gehen muß,
wurde per Statut als fixer Programmpunkt festgelegt, für jedes Treffen
aktuell anliegende Themenkomplexe anzuregen und sie in offener Form auf
der Grundlage der literarischen Texte zu diskutieren. Besonders wichtig
erschien uns der Ausschluß der Öffentlichkeit für
das Arbeitstreffen, um die Autarkie der Autorendebatten gegenüber
dem Einfluß des Literaturbetriebes zu garantieren. Statt der Kritik
das erste Wort über die Arbeitsergebnisse zu überlassen, bleibt
es zunächst den Autoren und den Sprechern vorbehalten, mit einer Abschlußveranstaltung
und einer Presseerklärung Öffentlichkeit einzuleiten.
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Ein entscheidender
Unterschied zu den üblichen Literaturwettbewerben ist die demokratische
Abstimmung der Teilnehmer um die Vergabe des Autorenpreises der Dreizehn.
Auch hier findet das Autarkieprinzip praktische Anwendung. Außerdem
verliert die Veranstaltung dadurch, daß ausschließlich der
Name des Preisträgers bekannt gegeben wird, an Event-Charakter. Statt
dessen wird er von allen Autoren gemeinsam getragen.
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Schon allein die
überaus konstruktive Atmosphäre des Treffens der Dreizehn
99 zeigt, daß eine derartige Autoreninitiative längst fällig
war. Nun ist es an den Autoren des Treffens der Dreizehn 2001 die
geschaffene Grundlage in ihrem Sinn zu nutzen. Ob neben der schrillen Stimme
des durchaus erforderlichen Betriebs und Marktes auch diejenige der noch
nicht bis zur Unbeweglichkeit etablierten Autoren wieder hörbar werden
kann, wird sich erweisen. In diesem Sinn: Es ist Bewegung ins Spiel gekommen.
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Der mit 4000.-
DM dotierte Autorenpreis der Dreizehn 1999 ging an Stefan Beuse.
Unter der Adresse www.nordkolleg.de
wird in Kürze das Forum der Dreizehn im Internet eingerichtet.
Wir danken für Finanzierung und organisatorische Unterstützung
Dr. Stefan Opitz und dem Nordkolleg Rendsburg.
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Die Sprecher der
Dreizehn: Heiner Link / Norbert Niemann
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STATUT
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Auf dem konstituierenden
ersten Treffen der Dreizehn vom 20. – 22. August 1999 wurden folgende
Grundlagen ausgearbeitet und einstimmig beschlossen. Sie regeln verbindlich
ihren künftigen Ablauf und ihre Zielsetzung.
1. Die Treffen
der Dreizehn finden im zweijährigen Rhythmus jeweils Ende August
im Nordkolleg Rendsburg statt. Es handelt sich hierbei um Zusammenkünfte,
an denen ausschließlich Autorinnen und Autoren der jungen deutschsprachigen
Gegenwartsliteratur teilzunehmen
berechtigt sind.
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2. Die Teilnehmerschaft
gliedert sich in eine Kerngruppe von dreizehn Aktiven und eine Gruppe von
dreizehn Gastautoren. Die vorab eingereichten und von allen gelesenen Texte
der sechsundzwanzig Teilnehmer bilden die Arbeitsgrundlage.
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a) Die Aktiven
besitzen Stimmrecht bei der Wahl des Autorenpreises der Dreizehn
und ein Vorschlagsrecht für die Teilnehmer des jeweils folgenden Treffens.
Der Vorschlagsmodus lautet: Jeder Aktive bestimmt für das Folgetreffen
einen aktiven Teilnehmer und einen Gast. Er selbst kann sich für den
einen oder anderen Status entscheiden, beziehungsweise ganz auf seine weitere
Teilnahme verzichten. Der Status als Aktiver ist auf maximal zweimal in
Folge beschränkt. Eine spätere erneute aktive Teilnahme ist möglich,
jedoch nicht öfter als insgesamt viermal. Ausschließlich die
Aktiven konkurrieren um den Autorenpreis der Dreizehn.
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b) Die Gastautoren
nehmen aktiv am Arbeitstreffen teil. Sie besitzen wie die Aktiven Stimmrecht
bei der Wahl zum Autorenpreis der Dreizehn, jedoch kein Vorschlagsrecht.
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3.
Das Treffen der Dreizehn wird organisiert, geleitet und moderiert
von zwei Sprechern. Sie werden von den Aktiven in demokratischer Abstimmung
für zwei Treffen in Folge gewählt und können für nur
eine weitere Amtszeit wiedergewählt werden. Ihre sofortige Abwahl
ist über ein Mißtrauensvotum mit einfacher absoluter Mehrheit
unter den Aktiven möglich.
Aus den eingereichten
Texten und den Themen- vorschlägen, die alle Teilnehmer außerdem
zu unterbreiten aufgefordert sind, formen die Sprecher die Themen- schwerpunkte
der jeweiligen Treffen. Sie haben Sorge dafür zu tragen, daß
der Charakter rein handwerklich orientierter Werkstattgespräche vermieden
wird und eine offene Auseinandersetzung mit Literatur in ihrem zeitgenössischen
Zusammenhang möglich ist.
In der Verantwortung
der Sprecher liegt auch eine abschließende Ausarbeitung und öffentliche
Verbreitung der Arbeitsergebnisse. Bezüglich der vorgeschlagenen Gastautoren
besitzen die Sprecher Vetorecht.
Die Sprecher können
entweder im Status von Aktiven oder von Gastautoren am Treffen teilnehmen,
oder sich auf ihre Funktionen als Sprecher beschränken.
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3. Die Öffentlichkeit
ist für die Dauer des Arbeitstreffens ausgeschlossen. Die Abstimmung
über den Autorenpreis der Dreizehn ist öffentlich.
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4. Fester Bestandteil
des Treffens der Dreizehn ist eine öffentliche Abschlußveranstaltung.
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5. Der Autorenpreis
der Dreizehn wird in demokratischer Wahl unter den Autoren bestimmt.
Der Abstimmungsmodus ist wie folgt geregelt: Jeder Stimmberechtigte hat
drei Stimmen, die mit drei, zwei und einem Punkt gewichtet sind. Ihre Vergabe
ist verpflichtend. Sich selbst zu wählen ist nicht möglich.
Die Auszählung
wird von einer neutralen und von den Teilnehmern bestätigten Person
vorgenommen. Diese gibt nach der Auszählung ausschließlich den
Namen des Preisträgers bekannt. Der Preisträger verliert das
Teilnehmerrecht als Aktiver für das folgende Treffen, erhält
automatisch Gaststatus und ist verpflichtet, einen neuen aktiven Teilnehmer
vorzuschlagen.
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